Sexistisch, frauenfeindlich, respektlos: Wenn du dich für den Job als Escort entschieden hast, wirst du nicht nur einmal mit der Doppelmoral unserer Gesellschaft konfrontiert. „Prostitution ist ja ok, aber ICH persönlich möchte damit nichts zu tun haben!“: Sexarbeit wird von modernen, gebildeten und toleranten Menschen akzeptiert – solange die oder der Escort nicht in der Nachbarschaft lebt. Uns haben die gängigen Vorurteile zu der Frage geführt, was genau den Job eines Escorts ausmacht – und warum Escort-Dienstleistungen zwar viel mehr als „nur“ Prostitution sind, dies aber von der Gesellschaft weitestgehend ignoriert wird.
Von Hetären und Escorts
Bereits 2015 veröffentlichte der Playboy eine repräsentative Umfrage, der zufolge jeder vierte deutsche Mann schon einmal für Sex bezahlt hat. Bezahlter Sex ist also keine Randerscheinung, sondern ein Massenphänomen. Was allerdings in dieser Umfrage nicht sichtbar ist: Bei vielen bezahlten Dates geht es gar nicht primär um die Befriedigung sexueller Triebe, sondern um etwas, das deutlich schwerer zu bekommen ist. Nämlich Zeit, Aufmerksamkeit und Unterhaltung.
Bereits im antiken Griechenland wurde zwischen reiner Prostitution und hochwertiger Begleitung unterschieden. Während die Straßenprostitution oder der Besuch im Bordell allen Männern – Sklaven eingeschlossen – zu billigen Preisen offenstand, blieben die teuren, elitären Hetären der Oberschicht vorbehalten. Die reichen Aristokraten des antiken Griechenlands verstanden ihre Zuwendungen an die Hetären dabei nicht als Bezahlung für Sex, sondern sahen sich vielmehr als großzügige Gönner. Sie unterstützten die Hetären finanziell, dafür erhielten sie im Gegenzug Gesellschaft, Unterhaltung, Zuwendung – und natürlich auch körperliche Befriedigung.
Auch wenn sich die Gesellschaften im Laufe der Jahrtausende verändert haben: Das heutige Bild von Sexarbeiter*innen ist nach wie vor tabuisiert. Ausbeutung, Unterdrückung, die „Frau als Ware“: Negative Aspekte bestimmen unser Bild von der käuflichen Liebe. Auch die Gesetzeslage verstärkt das Klischee der unmündigen, ausgebeuteten Sexarbeiterin. In einem aufsehenerregenden Interview, veröffentlicht 2015 in der „Süddeutschen Zeitung“, zerlegt Professorin Ulrike Lembke von der Universität Hamburg das damals noch unfertige Prostitutionsschutzgesetz. „In keinem anderen Gewerbe“, so die Professorin, „maßt sich der Staat eine regelhafte Prüfung der Frage an, ob diese Frauen reif genug für den von ihnen gewählten Job sind.“ Der Staat nötigt „Sexarbeiterinnen nun auch zu einer medizinischen Zwangsberatung“, zugleich „wird den Freiern eine trügerische Sicherheit vorgegaukelt. Dabei sind für die öffentliche Gesundheit viele Freier eine weitaus größere Gefahr.“
Escorts: Reduziert auf einen kleinen Teil der Dienstleistung
Wie du an den rund 2000 Jahren Diskussionen und Debatten siehst, ist der Sektor der käuflichen Liebe ein echter Aufreger, egal ob im antiken Griechenland oder den modernen Gesellschaften von heute. Und mitten drin stehst du – das Highclass-Escort. Du weißt genau, dass du dich nicht ausbeuten lässt, dass du nicht benutzt wirst, dass du nicht zum Sex gezwungen wirst – sondern vielmehr einem Beruf nachgehst, der abwechslungsreich, spannend, aufregend und einfach „anders“ ist. Du kennst deine anspruchsvollen, solventen, seriösen und hoch gebildeten Kunden. Du weißt, dass du nur punkten kannst, wenn du eloquent, charmant, humorvoll und intelligent bist. Niemand wird dir einen drei- oder vierstelligen Betrag für ein paar Stunden in den Umschlag legen, nur damit du die Beine breit machst. Vielmehr bist du die „neue Freundin“ des CEO, die während des Geschäftsessen Kollegen und Kunden deines Dates um den Finger wickelt. Du bist Gesprächspartnerin auf Augenhöhe, Psychologin, Seelentrösterin – und natürlich auch die perfekte Gespielin im Bett. Klar, du weißt genau, wie du deine Kunden perfekt befriedigst (und natürlich auch, wie du selbst deinen Lustgewinn aus den Dates ziehst). Allerdings ist Sex bei deinen Dates alles, nur nicht der Mittelpunkt der gebuchten Zeit. Dennoch wirst du als Escort auf genau das reduziert: Auf eine Sexworker*in, die „besser mal was anständiges gelernt“ hätte, damit „sie sich nicht von reichen, alten Männern benutzen lassen muss“.
Es wird Zeit, die Vorurteile in den Gesellschaften zu überwinden. Es steht außer Frage, dass wir die Ursachen von Zwangsprostitution, Ausbeutung und Unterdrückung überwinden müssen. Gleichfalls ist es aber auch an der Zeit, dass die bestehenden Stereotype über Sexworker*innen entkräftet werden. Denn das Klischee der unmündigen Sexarbeiterin trifft nun mal nicht auf jede Person zu, die sich für einen Job in der Branche entscheidet.